Tauchfahrt zum Thuner See 26.03. - 02.04.2005
In der Tauchabteilung des Höchster Schwimmvereins existiert seit einiger Zeit eine kleine Gruppe, die sich dem sogenannten „Technischen Tauchen“ verschrieben hat. Hierbei werden die Grenzen des Sport-Tauchens überschritten, entweder im Hinblick auf die Tauchzeit, oder aber im Hinblick auf die Tauchtiefe. Möglich wird dies durch den Einsatz spezieller Atemgase. Über die Ostertage unternahm diese Gruppe eine Erkundungsfahrt in die Schweiz. Ziel war es, die Möglichkeiten zur Durchführung einer längeren Tauchfahrt zu erkunden.
Allein die Vorbereitungen für diese Fahrt nahmen mehrere Manntage in Anspruch. Insgesamt mußten 39 Tauchflaschen, 8 Speicherflaschen, ein Kompressor, Verpflegung und Getränke sowie viel, viel Tauchausrüstung verpackt werden.
Nach dem Pack-Tag ging es um 8.30 Uhr los in Richtung Thun, das etwa 25 km südlich von Bern liegt. Nach 6 Stunden Fahrt sind wir an einem Bergbauernhof oberhalb des Thunersee´s angekommen. Wir erkundeten als alte „Stadtkinder“ den Bauernhof und packten unsere sieben Sachen aus. Als Unterbringung unseres Anhängers sowie Flaschen, Kompressor u.s.w. wurde uns eine Scheune zur Verfügung gestellt. Aufgrund der umfangreichen Ausrüstung war eine andere Unterbringung kaum vorstellbar. Für den Kompressor musste eine 380V Steckdose vorhanden sein, die Flaschen mussten sicher gelagert werden können, die Anzüge benötigten einen Trockenplatz...
Ein ausgiebiges Frühstück mit vielen bunten Eiern leitete den ersten Tauchtag ein. Nach einer kurzen Fahrt im dichten Nebel entlang des Thuner See´s, kamen wir am Tauchplatz „Beaten Bucht“ an. Erst regnete es etwas und der Nebel löste sich langsam auf. Bei sehr gut vorbereiteten Eingewöhnungstauchgängen in einer Tiefe bis zu 63 Metern wurde als Tiefengemisch ein normobares Trimix benutzt. Für die Dekompression wurde Nitrox und reiner Sauerstoff eingesetzt. Als Wärmeschutz kamen Trockentauchanzüge in Verbindung mit dem wärmeisolierenden Gas Argon zum Einsatz. Das Ziel dieses Tauchgangs war eine wunderschöne Steilwand aus glattgeschliffenem Granit, die bis auf über 200 Meter senkrecht abfällt.
Auf dem Bauernhof angekommen wurden zwei Teams gebildet: Das Füll-Team kümmerte sich um die Befüllung der Flaschen mit den Gasen für den kommenden Tag. Hierfür waren jeweils ca. 2 Stunden notwendig. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften der einzelnen Gase sind mehrere Arbeitsschritte erforderlich, so ist etwa die Befüllung mit Sauerstoff nur über eine handbetriebene Sauerstoff-Pumpe möglich. Ein Fülldruck von 200bar macht damit einige Anstrengung erforderlich...
Das zweite Team wurde mit der nicht minder anspruchsvollen Aufgabe betraut, die Nahrungsaufnahme vorzubereiten. Während dem Abendessen erfolgte das Debriefing, d.h. die Besprechung des Tauchgangs, sowie die Vorbereitung auf den Tauchgang des kommenden Tages. Hierzu zählt die Erläuterung des Einstiegs in den See (mit 4-5 Flaschen auf dem Rücken ein kritisches Element), die Unterwasser-Landschaft, die geplanten Tauchtiefen, einzusetzende Gase, etc..
Der zweite Tauchtag begann mit viel Sonne. Am Tauchplatz Stampach Ralligen wurden zwei Tauchgruppen gebildet. Eine Nitrox-Gruppe, deren Tauchtiefe bei 30 Metern lag und eine Trimix-Gruppe, die bis auf 64 Meter tauchte und hierfür ca. 90min. Tauchzeit benötigte.
Der Tauchplatz „Beaten Bucht“ war für den dritten Tag vorgesehen. Wie üblich wurden die Tauchgruppen eingeteilt, wobei die Nitrox-Gruppe einen Spezialauftrag erhielt: Der Tauchgang sollte unter Wasser dokumentiert werden. Hierbei sollte die Gruppe in regelmäßigen Abständen unter Zuhilfenahme von Kompaß und Tiefenmesser eine Unterwasserkarte des Tauchplatzes anlegen – keine leichte Aufgabe, wie sich herausstellte. Wie kann man unter Wasser eine Entfernung verlässlich abschätzen???
Am nächsten Tag wurde beschlossen, eine Entsättigungspause einzulegen. D.h. zur Unterstützung der Stickstoff-Entsättigung wurde auf das Tauchen verzichtet. Stattdessen sollte eine Besichtigung der Sankt Beatus Grotte stattfinden – und zwar über Wasser.
Zwei Spezialisten wollten sich allerdings die Chance für einen Höhlentauchgang nicht nehmen lassen und die Bätterich Höhle erkunden. Der Einstieg in diese Höhle liegt in ca. 25m Wassertiefe. Die Höhle besteht aus einem Quelltopf, aus dem je nach Jahreszeit mehr oder weniger Wasser in den See fließt. Nach einer Engstelle windet sich die Höhle in den Berg und kann durch entsprechend ausgebildete und ausgerüstete Taucher betaucht werden. Wichtig ist hierbei eine ausreichende Beleuchtung, die gleichzeitig die Hände freilässt...
Der Rest der Crew unterstützte die beiden Taucher und schleppte die spezielle Höhlen-Tauchausrüstung bis zum 50 Meter tiefer gelegenen Einstieg. Die Helfer-Crew fuhr anschließend zum ca. 700 Meter entfernten Parkplatz um dort auf die Taucher zu warten. Nach dem Verlassen der Höhle legten die Taucher auf dem Rückweg zum Ausstieg, der sich in Seehöhe befindet, diese Strecke zwecks Dekompression in 6m Wassertiefe zurück.
Während des ausgiebigen Abendmenüs wurden die Tauchgangsberechnungen für den nächsten Tag erstellt. Nach den Berechnungen wurden die erforderlichen Run Time Tabellen gedruckt und laminiert. Hierbei handelt es sich um eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass ein Tauchcomputer unter Wasser ausfällt. Diese Tauchcomputer berechnen die Deko-Pausen für jeden spezifischen Tauchgang und zeigen diese unter Wasser an. Bei einem Ausfall ermöglicht eine ausgedruckte Run Time Tabelle in der Tasche das sichere Auftauchen.
Ziel des letzten Tauchtages war es, die Tiefe von 105m sicher zu erreichen. Eingesetzt wurden zwei unterschiedliche Trimix-Gemische, ein Nitrox-Gemisch sowie medizinischer Sauerstoff, als Wärmeisolierung diente das unerlässliche Argon. Jeder Taucher hatte 6 Flaschen bei sich.
Bei Tauchgängen in dieser Tiefe sind besondere Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Sollten unter Wasser Probleme auftreten, so müssen diese vor Ort gelöst werden, denn ein kurzfristiges Auftauchen ist nicht möglich! Dies erfordert Erfahrung und taucherisches Können auf der einen Seite, sowie ein hohes Maß an Redundanz in der Ausrüstung (z.B. wird in der Regel mit dem 3fachen des notwendigen Atemgas-Volumens getaucht), sowie weitere Sicherungsmaßnahmen andererseits. Hierzu zählen die eingesetzten Sicherungstaucher. Diese befinden sich für die gesamte Zeit (ca. 2h) in kompletter Ausrüstung an der Wasseroberfläche. Sollte ein vereinbartes Notsignal, z.B. eine Boje, auftauchen, so tauchen die Sicherungstaucher mit einem zusätzlichen Gasvorrat ab, um zu helfen. Darüber hinaus wurde in 17m Wassertiefe ein Notfalldepot an der Steilwand angebracht, das für die auftauchenden Taucher im Bedarfsfall direkt zugänglich wäre. Der Tauchgang wurde von 2 Tauchern souverän und problemlos gemeistert!
Am siebten und letzten Tag dieses Urlaubs gab es noch einmal einen sehr gemütlichen Brunch welcher nur durch unseren Mittagstauchgang unterbrochen wurde. Bei sehr schönem Wetter fand ein Testtauchgang zur Optimierung der Trimix Ausrüstungs im 60 Meter Bereich statt. Hierbei ging es darum, eine neue Konfiguration des Tauchgeräts zu erproben. Das andere Team führte einen Fototauchgang bis auf 30 Metern durch, bei dem Nitrox zum Einsatz kam. Nach einem Sonnenbad am Thunersee ging es am späten Nachmittag mit dem Packen des Anhängers weiter. Der letzte Abend vor der Rückfahrt klang mit einer ausführlichen Kritik an diesem Tauchurlaub aus: Alle waren sich einig – es war ein etwas ungewöhnlicher, aber sehr schöner Tauchurlaub, der nur durch das positive Mitwirken aller Beteiligter so erfolgreich war. Dies sollte unbedingt wiederholt werden!
Es tauchten: Harald Lange, Alexander Hoffmann, Wolfgang Reis, Rainer Haupt, Björn Meiners
Text und Fotos: Alexander Hoffmann, Wolfgang Reis, Rainer Haupt
Dr. Stefan Körner